Gerät für die Stoßwellentherapie in der Praxis für Orthopädie Dr. Gero Lenk Sonthofen

Der „Hexenschuss“ geht mit einer Vielzahl an Begleitphänomenen einher. Kaum eine andere körperliche Beeinträchtigung hat darum die Medizin von ihren Anfängen bis heute vor so viele Rätsel gestellt und zu Spekulationen, widersprüchlichen Erklärungsversuchen und Therapieansätzen verleitet.

Vielleicht haben Sie es selbst schon erlebt: Inmitten einer Bewegung fährt ein stechend bohrender Schmerz in den Rücken, jede weitere Bewegung scheint unmöglich, selbst das Atmen fällt schwer. Bei manchen Menschen entwickelt sich das zu einer wahren Plage. Egal in welcher Lage, der Rückenschmerz wird ein ständiger Begleiter und vermindert die Lebensqualität erheblich. Hinter ihrem poetischen, volkstümlichen Namen verbirgt sich eine Funktionsstörung des unteren Wirbelsäulenabschnittes, der Lendenwirbelsäule. Nicht als „Hexenschuss“ bezeichnet, aber ihm ähnlich sind Blockierungen der Brustwirbelsäule.

Das Phänomen „Hexenschuss“ ist bis auf den heutigen Tag mit vielen Misverständnissen und Irrtümern behaftet.

In der Regel wird die normale Wirbelsäulenfunktion wieder von selbst oder durch Behandlung erreicht. Anders ist das bei strukturellen Gewebeveränderungen durch natürlichen Verschleiß oder Verletzungen (etwa an den Wirbelgelenken oder Bandscheiben). Eine Behandlung kann in dem Fall die Beschwerden lindern, aber die fortschreitende Abnutzung nicht aufhalten.

Mythen um den Schuss der Hexe

Schon in der Antike wurden solche Funktionsstörungen der Wirbelsäule beschrieben und behandelt. Im dunklen Mittelalter nahm man an, dass Hexen mit ihren „bösen Blicken“ unschuldige Menschen in den Rücken schossen. Die Bezeichnung hat bis heute hartnäckig standgehalten und lässt viele Missverständnisse fortbestehen. Lange Zeit nahm man an, dass „Verrenkungen“ der Wirbel oder „Nerveneinklemmungen“ die Ursache waren. In Wirklichkeit spielen sie in der Regel keine Rolle. Eine Ausrenkung des Gelenks würde an der Wirbelsäule mit großer Wahrscheinlichkeit zu einer schweren Rückenmarksschädigung mit Querschnittslähmung führen. Auch wird bei der Behandlung nichts „eingerenkt“. Wie die richtige Bezeichnung Gelenkblockierung schon vermuten lässt, ist der Bewegungsspielraum der Gelenkpartner nicht vergrößert, sondern (teils erheblich) reduziert. Beim Lösen einer Blockierung wird dieser Zustand beseitigt.

Hexenschuss heute

Wirbelgelenkblockierungen entstehen größtenteils aus einer oftmals schon lange bestehenden Wechselbeziehung von Fehlstellung und Überbelastung der Wirbelsäule. Jede für sich kann keine Gelenkblockierung verursachen, aber die Kombination aus beidem führt dauerhaft zu einer Fehlfunktion im Zusammenspiel des Nerv-Muskelsystems und zu einer Funktionsbeeinträchtigung aller beteiligten Organe und Gewebestrukturen. Eine falsche Bewegung oder das Heben eines vermeintlich schweren Gegenstandes als spontane Belastungsspitze ist dann lediglich der Auslöser der Gelenkblockierung. Äußere Einwirkungen, wie das Unfallschleudertrauma an der Halswirbelsäule, können jedoch zu Wirbelgelenkblockierungen führen, ebenso wie Erkrankungen der inneren Organe. Beim Hexenschuss sind das meist Funktionsstörungen des Magen-Darm-Traktes und des Urogenitalsystems (Nieren, Blase, Geschlechtsorgane). Nach heutigem Verständnis wird bei einer Gelenkblockierung die Belastungstoleranz in einem Wirbelsäulengelenk überschritten. Das führt zu einer „Schadensmeldung“ bestimmter Rezeptoren in der Gelenkkapsel (Nocizeptoren) an das Rückenmark. Dort kommt es zur netzartigen Verschaltung mit allen Organen, die von diesem Segment versorgt werden. Betroffen sind Muskulatur, Haut sowie innere Organe. Zudem erfolgt eine neurale Weiterleitung über den Hirnstamm zum Großhirn (Schmerzwahrnehmung) und ins Vegetative Nervensystem, unter anderem über den Nervus sympathicus. Der ist mitunter für Alarm- und Abwehrreaktionen zuständig.

Blockierung als Schutzmaßnahme

Von der Rückenmarksebene aus wird eine starke Spannungszunahme und Verkürzung vornehmlich der kurzen Muskeln des Haltesystems der Wirbelsäule ausgelöst. Auch die großen Muskeln sind betroffen, was die erhebliche Verspannung der Rückenmuskulatur erklärt. Die stark verkürzten kleinen Muskeln, die das betroffene Wirbelgelenk steuern, blockieren das Gelenk und versuchen so, weiteren Schaden zu verhindern (Gelenkschutzmechanismus). Da sämtliche Strukturen und Organe betroffen sind und es viele Querverbindungen gibt, ist der Ort der Störungsursache selten direkt zu bestimmen. Die ursächliche Störung liegt oft auf der Gegenseite und sollte auch dort behandelt werden. Charakteristisch ist zudem, dass die Beschwerden unter Bewegung nachlassen oder sich räumlich verändern können. Nicht nur die Muskulatur kann Schmerzreaktionen zeigen, sondern auch das Unterhautgewebe, die Knochenhaut, die Sehnen und deren Ansätze, die Bandstrukturen, das Bindegewebe oder die Gelenkkapseln. Manchmal wird dieser Zustand fälschlich als Weichteilrheumatismus bezeichnet, obwohl er damit nicht das Geringste zu tun hat.

Erschwerte Ursachenforschung

Die Suche nach den Ursachen wird zusätzlich erschwert durch die Vielzahl der möglichen Begleiterscheinungen, die durch die Verschaltung ins vegetative Nervensystem entstehen: Kopfschmerzen, Schwindel, Kreislaufprobleme, Herzbeschwerden, Atemnot sowie diffuse Organbeschwerden im Bauchraum, um nur die häufigsten zu nennen. Störungen des Vegetativums, vor allem die der inneren Organe nebst der von Kieferfunktion, Zähnen, Innenohr und Augen, stehen zu Funktionsstörungen im Bewegungssystem in direkter Wechselbeziehung. Sie verursachen folglich die Wirbelsäulendysfunktion auf umgekehrtem Wege und rufen ständig wiederkehrende Blockierungen hervor. Erst die Ausheilung der Erkrankung oder die Beseitigung der Irritation des betreffenden Organs behebt dauerhaft die Blockierung der betroffenen Wirbelsäulensegmente und sichert damit den Behandlungserfolg.